Raclettekäse auf Holzbrett mit Walnuss garniert und daneben geschmolzen in kleinem Raclettepfännchen

Raclette

Machen wir doch einen kleinen Abstecher in den südwestlichen Teil der Schweiz, ins Wallis, und schauen uns mal an, wie die schlauen Bauern dereinst auf die Idee gekommen sind, ihren herrlich würzigen Bergkäse am offenen Feuer zu rösten und so zum „Bratchäs“ zu veredeln. Irgendwann wurde dieser dann „Raclette“ genannt und wenn Sie wissen möchten, warum, dann ist das hier Ihre Chance.

Raclettekäse über Kartoffeln im Pfännchen geschmolzen auf Holztisch

Deine Welt sind die Berge ...

Erinnern Sie sich noch an Fräulein Rottenmeier? Oder Klara? Oder Frau Sesemann? Vielleicht eher an den Geißenpeter oder den Almöhi? Genau! Lassen Sie uns an dieser Stelle kurz in die Handlung von „Heidi“ von Johanna Spyri eintauchen, die 1879 und 1881 veröffentlicht wurde und rasch zu internationalen Bestsellern avancierten.

Warum wir das tun? Ganz einfach, denn auch wenn schriftliche Erwähnungen von „Bratkäse“ („Bratchäs“) bereits seit dem 12. Jahrhundert existieren und der Begriff im Wallis, der südwestlichen Schweiz, die irgendwie als Ursprungsort des „echten“ Raclette gilt, immerhin schon 1574 auftaucht, ist der von Heidi erwähnte „Käsebraten am Spieß“ wahrscheinlich das einzige Mal, dass diese kulinarische Köstlichkeit in die Weltliteratur Einzug gehalten hat – wenn auch nur in Form eines kleinen, recht unbedeutenden Nebensatzes.

Auf der anderen Seite ist das Wörtchen „nur“ vielleicht nicht ganz angemessen, denn das Rösten des Käses über offenem Feuer oder unter ordentlicher Hitze bedeutet auch heute noch zweifellos: einen herrlichen Duft, magenfüllende Opulenz und wunderbare Gemütlichkeit. Kein Wunder, dass dieses Gericht irgendwann von den Almen in die Täler gelangte und sich von dort aus rasch verbreitete.

Entstehung des Raclette

Ursprünglich wurde die Zubereitung wohl eher aus der Not heraus geboren: Wenn man schon ein offenes Feuer entfachte, um der winterlichen Kälte hoch oben in den Bergen etwas zu trotzen, lag es nahe, direkt vor die Glut etwas zu Essen zuzubereiten. So wurde auf einem Holzbrett ein stattliches Stück Kuh-Rohmilchkäse in genau der richtigen Entfernung platziert, um eine leichte Räucherung, zartes Schmelzen und eine knusprige Textur zu ermöglichen. Nach einiger Zeit nahm man den Käse vom Brett und schabte den knusprig geschmolzenen Teil auf ein appetitliches Stück Brot – und der gesamte Vorgang konnte von Neuem beginnen.

Aus diesem Prozess leitet sich auch der heute gebräuchliche Name ab, da „racler“ im Walliser Französisch einen dialektalen Begriff darstellt und „abschaben“ oder auch „abkratzen“ bedeutet.

Raclettekäse im Pfännchen über Kartoffeln geschmolzen und kleine Schale mit Gewürzgürkchen

Raclette-Genuss früher

Die Intensität, die der Bergkäse mit seinen mindestens 50 % Fett in der Trockenmasse entfaltet – vor allem, wenn er geschmolzen und geröstet wird –, wurde schon sehr früh durch die Ergänzung von etwas Frischem, Saurem und Mineralischem ausgeglichen. Besonders beliebt waren süßsauer eingelegter Zwiebeln, Gurken oder Pilze, die während des Sommers in den kleinen Gemüsegarten jedes Berghofs wuchsen.

Die Idee mit den Pellkartoffeln (die übrigens von den Franzosen charmant als „die mit dem Feldmantel“ übersetzt werden – nicht wahr, wie hübsch das klingt?!) spielte erst viel später eine Rolle, denn schließlich mussten sie erst in Europa und auf den kargen Hochalmen eingeführt werden, was seine Zeit dauerte. Bis dahin wurde zum Raclette Bauernbrot gereicht, und kulinarisch betrachtet ist das durchaus eine ausgezeichnete Wahl.

Natürlich schätzten die Bergbauern ihren Käse, der wertvoll und teuer war. Sie genossen ihn gerne, gingen jedoch gleichzeitig sparsam damit um. Immerhin dauerte es mindestens drei Monate, von der Labzugabe bis zur ersten Genussreife, bis man ihn essen konnte. Besonders hochwertige Stücke noch mehr Zeit, um intensivere Aromen zu entwickeln. Das Wichtigste war, dass der Käseteig nicht hart wurde, keine Salzkristalle bildete und so wenig Löcher wie möglich entwickelte.

Übrigens sollte die Rinde des Raclette-Käses mitgegessen werden: In ihr verbergen sich die köstlichsten Aromen, die sich erst beim Ausbacken voll entfalten. Zudem werden beim Raclette keinerlei Konservierungsstoffe verwendet, sodass wirklich alles genossen werden kann.

Geselliger Genuss

Auf jeden Fall zeigten die sparsamen Senner ihre Großzügigkeit besonders dann, wenn Gäste kamen, die Familie sich zu besonderen Anlässen versammelte oder es etwas zu feiern gab. In solchen Momenten platzierte der Senn oder die Sennerin zwei Stücke Käse vor die Glut. Auf diese Weise konnte abwechselnd von einem Käse geschabt und gegessen werden, während der andere in aller Ruhe schmolz und knusprig wurde. Das Essen erfolgte mehr oder weniger in einer Art Runde, wobei zu beachten ist, dass eine geschabte Portion nicht viel gemeinsam hat mit den kleinen Scheibchen, die wir heute kennen. Mit einem Durchgang konnten problemlos drei bis vier Brotscheiben versorgt werden.

Gerade diese schrittweise Vorgehensweise und Langsamkeit sind wohl auch heute noch das, was wir an einem Raclette-Abend so schätzen. Es gibt auf jeden Fall mehr als genug zu essen, und jeder wird satt. Aber gerade das Warten lässt sich wunderbar mit anregenden Gesprächen, einem angenehmen Tropfen, dem einen oder anderen Cornichon und vielleicht sogar einer Kartoffel im Feldmantel vertreiben.

Raclette-Pfännchen mit Käse, Kartoffeln und verschiedenen italienischen Wurstwaren

Raclette-Käse: das Original

Leider ist der Begriff "Raclette" an sich nicht geschützt, wodurch so ziemlich jeder die Herstellung und Vermarktung eines solchen Käses übernehmen kann. Wenn Sie jedoch auf einen "Walliser Raclette" („Raclette du Valais“) mit dem Siegel „GUB“ oder „AOP“ stoßen, können Sie sicher sein, dass Sie es mit einem authentischen Raclette aus dem Wallis zu tun haben. Im Vergleich zu industriell hergestellten Produkten werden Sie von seinen Aromen buchstäblich begeistert sein.

Falls Sie sich über den Preis wundern sollten: Pro Jahr werden gerade einmal 2.000 Tonnen des originalen Wallis-Raclette produziert – ein Vorrat, der immerhin die ganze Welt abdecken soll …

Tipp gegen Raclette-Geruch

Raclette ist nicht nur sehr lecker, sondern auch sehr geruchsintensiv, was nicht jedem gefallen muss. Spicken Sie deshalb ein paar Zitronen und/oder Orangen mit Nelken und legen Sie diese an verschiedenen Stellen im Raum aus. Der Duft verschwindet dann wie von allein über Nacht.