Pesto: Einfach kultig – kultig einfach
„Es sind Gnocchi mit Pesto, das sollte ich ja wohl können“, befand TV-Koch Tim Mälzer, als er bei der achten Staffel von „Kitchen Impossible“ gegen die Italo-Argentinierin Graciela Cucchiara antrat. Zwar bezeichnet sich Mälzer gerne unbescheiden als den „besten italienischen Koch außerhalb Italiens“, doch als es zum Nachkochen in die „Osteria Baccicin du Caru“ bei Genua ging, wurde ihm ob des Druck-Potenzials mulmig – zu Recht, denn bei der weltberühmten Pastasoße nehmen es die Genueser ganz genau. Und so verwunderte es niemanden, dass Mälzer patzte. Denn anstatt Knoblauch und Pinienkerne zuerst zu mörsern, gab Mälzer gleich das Basilikum hinzu. Das gehört gemäß handwerklicher Tradition separat zerstoßen, da das Fett der Pinienkerne die Zerkleinerung des Krauts erschwert. Unter den kritischen Augen von Gianni Bruzzone geriet der „Küchenbulle“ also mächtig ins Schwitzen. Und Bruzzone ist nicht irgendwer. Er ist nicht nur Inhaber der Osteria Baccicin du Caru, sondern auch Juror bei der Pesto-Weltmeisterschaft, die Ende März zum zehnten Mal in Genua ausgetragen wird. Im Finale kämpfen demnächst 100 ambitionierte Köchinnen und Köche um den begehrten Titel.
Kräuterpaste mit Star-Appeal
Um zu verstehen, was Pesto so kultig macht, werfen wir kurz einen Blick auf seine Geschichte. Das – oder auch der – Pesto stammt vermutlich vom römischen Moretum ab, einer kalten, kräuterhaltigen Paste, bei der Schafskäse bzw. Walnüsse, Selleriegrün, Knoblauch, Weinessig und Olivenöl in einem Mörser zerstampft (zerstampfen = pestare) und vermengt wurden. Die Heimat der bekanntesten aller Pesto-Sorten ist das nordwestitalienische Ligurien, wo das „Pesto genovese“ erstmals 1863 in einem Kochbuch beschrieben wurde. Verwendet wurde es schon damals vor allem zum Würzen von Speisen und als Soße für Pasta. International bekannt wurde das Pesto 1944 durch einen Artikel in der „New York Times“. Seinen Siegeszug um die Welt trat es aber erst Anfang der 1990er-Jahre an, als der legendäre Sänger und Schauspieler Frank Sinatra, Sohn italienisch-amerikanischer Eltern, begann, dafür Werbung zu machen.
Kleines „alla“, großer Unterschied
Naturgemäß ruft Erfolg Nachahmerinnen und Nachahmer auf den Plan. Deshalb ist es den Genueserinnen und Genuesern so wichtig, ihre Rezepttradition hochzuhalten. Geschützt ist der Begriff „Pesto genovese“ zwar nicht, aber für das italienische Ministerium für Landwirtschafts-, Ernährungs- und Forstpolitik gehört die berühmte Soße immerhin zu den anerkannten „traditionellen ligurischen landwirtschaftlichen Produkten“ (Prodotti agroalimentari tradizionali liguri). Laut Definition des Consorzio del Pesto Genovese besteht das heutige Original aus Genueser Basilikum DOP, nativem Olivenöl extra (vorzugsweise von der Riviera), Parmigiano Reggiano DOP oder Grana Padano, Pecorino DOP Typ Fiore Sardo, Pinienkernen, Knoblauch und Salz. Vergleichbare Pesto-Produkte, die nicht exakt diese Zutaten enthalten, bezeichnet man als Pesto alla genovese, also Pesto nach Genueser Art.
Das Geheimnis perfekten Pestos
Nun fragen Sie sich vielleicht, was so schwierig an der Zubereitung einer Kräuterpaste sein kann, dass man dazu eine Weltmeisterschaft ausruft. Unsere Antwort: eigentlich nichts. Pesto ist wirklich einfach zuzubereiten, wenn man ein paar Kleinigkeiten beachtet. Allen voran steht die Geschwindigkeit, denn wird die Soße zu warm, oxidiert sie und wird bitter. Zudem verliert das Basilikum seine schöne hellgrüne Farbe. Genau darin besteht das Risiko, wenn man Pesto im Mixer oder mit dem Zauberstab zubereitet. In diesem Fall sollten die Zutaten gekühlt und bereits vorgeschnitten sein, damit nicht lange gemixt werden muss. Auf Nummer sicher gehen Sie mit den Werkzeugen der Profis: Mörser und Stößel.
Der Schutz vor Oxidation ist auch das Geheimnis bei der Lagerung von Pesto. Gießen Sie auf die Oberfläche Ihres abgefüllten Pestos immer eine Schicht Olivenöl, um es vor dem Kontakt mit Sauerstoff zu schützen, und bewahren Sie den Behälter lichtgeschützt im Kühlschrank auf. So hält Ihr Pesto mehrere Wochen. Eine weitere goldene Regel für das perfekte Pesto lautet: Greifen Sie zu hochwertigen Zutaten. Sparen Sie nicht am Olivenöl und nehmen Sie Käse vom Stück statt fertig geriebenen. Und achten Sie beim Rösten der Pinienkerne unbedingt auf eine gleichmäßige, nicht zu starke Röstung. Unser Tipp: Geben Sie die Pinienkerne einfach auf ein Blech und rösten Sie sie bei 160 Grad Umluft für rund zehn Minuten. Zum Wenden zwischendurch ab und zu am Blech rütteln.
Viele Sorten, noch mehr Einsatzmöglichkeiten
Pesto ist heute so beliebt, dass der Begriff viele verschiedene Kräuterölmischungen umfasst. Die meisten von ihnen enthalten Nüsse oder Käse als Basiszutaten. Weitere gängige Sorten italienischen Ursprungs sind das Pesto alla siciliana bzw. Pesto rosso, das mit getrockneten Tomaten und Mandeln zubereitet wird, sowie das Pesto alla calabrese aus Kalabrien, das Gemüsepaprika und Peperoncino enthält. Verlässt man Italien, wird es endgültig bunt. Da muten Varianten mit Bärlauch oder Rucola schon oldschool an. Wie wäre es zum Beispiel mit Pesto aus Möhrengrün? Oder mit einer süßen Kreation aus Minze, Passionsfrucht und Schokolade als Topping für Gebäck oder für Strudelfüllungen? Ja, die gibt es tatsächlich – auch wenn wir auf eine Weltmeisterschaft noch vergeblich warten. Auch tragen immer mehr Pesto-Sorten veränderten Essgewohnheiten Rechnung und verzichten beispielsweise auf Käse, um eine vegane Ernährung zu unterstützen. Ein echter Genueser begegnet so viel Pesto-Erfindungsreichtum natürlich mit Gelassenheit. Denn das Original bleibt das Original. Pesto! Pardon: basta!
Beim Einsatz von Pesto ist man sich dann überall wieder einig. Denn unabhängig von Sorte und Zubereitung eignet sich Pesto keineswegs nur als Nudelsoße. Wunderbar passt die Kräuterpaste beispielsweise bei einem Grillabend, serviert als Dip zu Grissini und Fleisch.
Vor allem grünes Pesto ist zudem die perfekte Basis für einen mediterranen Salat oder auch eine herrlich aromatische Ergänzung zum Käse bei Kartoffelgratins. Rühren Sie es in sahnigen Quark ein, zaubern Sie mit Pesto eine frische Creme zu Pellkartoffeln. Und selbst zu Fisch passt Pesto hervorragend: einfach das Filet damit bestreichen und im Ofen backen. Ihren Sandwiches fürs Büro verleihen Sie mit Pesto ebenfalls zusätzlichen Pfiff. Auf frisches Brot gestrichen, darauf Mozzarella- und Tomatenscheiben – fertig ist der italienische Snack.
Nach all dem Pesto-Wissen wird es jetzt aber Zeit für ein spannendes Rezept. Das Besondere an unserem Pesto: Es besteht aus Zutaten unseres heimischen Kräutergartens wie Petersilie, Basilikum, Minze und Salbei. Wir wünschen viel Spaß beim Zubereiten – und natürlich beim Erkunden der vielen Einsatzmöglichkeiten.